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Projekt "Pferdefleisch" hilft seltene Rasse zu erhalten

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Der nachfolgende Artikel stammt aus dem Jahre 1997 und wurde uns freundlicherweise von Herrn Axel Armbruster aus Bietigheim zur Verfügung gestellt, wofür wir uns herzlich bedanken. Die Einordnung von Pferden als "normale" Schlachttiere findet sicher nicht jedermanns Zustimmung. Dennoch halten wir das schweizer Projekt "Pferdefleisch" für sehr interessant, zumal es artgerechte Haltungsbedingungen für die Pferde berücksichtigt und zur Erhaltung einer vom Aussterben bedrohten Rasse beiträgt. Das Projekt bzw. seine Ergebnisse sind auch heute noch aktuell, wie ein Artikel des Landwirtschaftlichen Informationsdienstes aus dem Jahre 2006 zeigt. [33]


Das Projekt "Pferdefleisch"

Was für deutsche Betrachter als absolut exotisch und fremd anmutet, findet in der Schweiz seit Jahren zunehmende Bedeutung: Die Zucht von Schlachtpferden. Zwar ist der Anteil von Pferdefleisch, gemessen am Gesamtfleischverbrauch, mit ca. 1% auch in der Schweiz sehr gering, aber immerhin mußten schon immer recht hohe Mengen aus dem Ausland importiert werden. So stammen bis heute ca. 70% des Bedarfs vor allem aus den USA und Kanada.

Anfang der 90er Jahre entwickelte man den Gedanken, ob man nicht eine extensive Grünlandhaltung, die Erhaltung der selten gewordenen Rasse des Freiberger Pferdes, und den Versuch, die Eigenproduktion von Pferdefleisch wirtschaftlich zu steigern, miteinander verbinden könnte. Mit verschiedenen Trägern aus Landwirtschaftsverwaltung, Viehproduzenten und dem Pferdezuchtverband kam schließlich das "Projekt Pferdefleisch" zustande.

15 ausgewählte Betriebe sollten mit zunächst ca. 60 Stuten Schlachtfohlen erzeugen. Das Projekt sollte zeigen, ob es möglich sei, wirtschaftlich die Zucht von Schlachtpferden zu betreiben, und dies mit einer ökologischen Nutzung von schwierigem Grenzland zu verbinden. Unterstützt wurde der Versuch auch durch die aufkommende Diskussion um Rindfleisch und Massentierhaltung, die die Nachfrage nach Pferdefleisch noch steigerte.

Die Modellbetriebe sind in der ganzen Schweiz verteilt und weisen ganz unterschiedliche Betriebsstrukturen auf. Nachfolgend soll nur ein Betrieb vorgestellt werden, um einen Einblick in die Zucht von Schlachtpferden zu gewinnen. Für deutsche Verhältnisse mag dies sehr ungewöhnlich sein, aber nüchtern betrachtet sind Pferde auch nicht anders zu sehen als alle anderen Nutztiere des Menschen. Letztendlich wäre es wunderbar, wenn auch alle anderen Nutztiere die gleiche Wertschätzung erfahren dürften wie das Pferd. Ob jeder diesen Gedankenschritt nachvollziehen kann, möge jeder selbst entscheiden. Interessant ist dieser Einblick in die etwas andere Pferdehaltung allemal, und sie ist wohl auch vernünftiger als die Zucht anderer, nicht heimischer Tiere, die unseren Speisezettel bereichern sollen.


Ein Modellbetrieb im Schweizer Jura

Hoch über den Tälern des Schweizer Jura liegt die Froburg auf ca. 850 m über dem Meeresspiegel. Dort befindet sich auch der Betrieb von Josef Wyss, der sich schon viele Jahre mit der Pferdezucht beschäftigt. Erlernt hatte er dieses "Handwerk" schon von seinem Vater. "Auf dem Hof hatten wir schon immer Pferde", erinnert sich Wyss. Neben der Mutterkuhhaltung, die mit ca. 70 Tieren bis heute das Hauptgewicht seines Betriebes trägt, begann er zunächst mit der Zucht von Renn- und Sportpferden. Allerdings erwies sich dieser Bereich der Pferdezucht als schwierig und nicht sehr rentabel.

So war es kein Wunder, daß er sich vor einigen Jahren spontan als Teilnehmer zum Projekt der Schlachtpferdehaltung bewarb. Hierbei kamen ihm seine Erfahrungen in der Pferdezucht zugute, denn aus zahlreichen Bewerbungen wurden nur ca. 15 ausgewählt. Begonnen hatte er zunächst mit sechs Freibergerstuten, deren Bestand er bis heute auf die im Projekt erlaubte Höchstgrenze von 10 Stuten erweiterte. Außerdem hält er seit einiger Zeit noch einen Hengst bei der Herde, der zuverlässig für Nachwuchs in seiner Herde sorgt.

"Etwas belächelt wurde ich am Anfang schon", beschreibt Wyss seine Anfänge. Seine Kollegen in der Landwirtschaft bezweifelten doch die Rentabilität diese Form der Pferdehaltung, die auch in der Schweiz zum damaligen Zeitpunkt doch noch etwas Ungewöhnliches darstellte. Inzwischen kann er guten Gewissens sagen: "Die Aufzucht von Schlachtpferden ist derzeit voll rentabel".

Wie aber sieht die Schlachtpferdehaltung aus, bzw. wie leben diese Tiere? Zunächst einmal ist natürlich die Pferderasse entscheidend. In der Schweiz wird vor allem die Rasse des Freibergerpferdes bevorzugt. Dies ist eine Schweizer Pferderasse, die eigentlich aus dem französischsprachigen Teil der Schweiz stammt. Diese sehr alte Rasse, die besonders große und schwere Tiere bis über 600 kg Lebendgewicht hervorbringt, ist aber nicht, wie man vielleicht denken könnte, mit einer typischen Kaltblutrasse zu verwechseln. Diese Rasse wurde zwar früher vor allem als Arbeitspferd eingesetzt, konnte aber auch als Sport- und Reitpferd genutzt werden.

Allerdings gibt es heute zum Einen besser geeignete Sportpferderassen, zum Anderen war natürlich auch in der Schweiz der Bedarf an Arbeitspferden stark rückläufig, so daß dadurch diese Rasse nicht mehr so oft gezüchtet wurde. "Wiederentdeckt" wurde diese Rasse eigentlich erst wieder mit der Schlachtpferdehaltung, da sie zwei wesentliche Vorteile vereinigt: Einerseits nehmen die Tiere sehr schnell an Gewicht zu, andererseits ist diese Rasse sehr robust und geradezu ideal für die Freilandhaltung geeignet.

Auf dem Hof von Josef Wyss können die Tiere dahernahezu das ganze Jahr im Freien gehalten werden. Nur im Winter braucht er den Tieren mit einem offenen Stall eine Einstellmöglichkeit anbieten, den sie jederzeit wieder verlassen können. Der Tierarzt ist daher ein seltener Gast auf dem Hof, denn die Tiere gewöhnen sich sehr schnell an das fast vollkommen freie Leben auf der Weide und kennen kaum Gesundheitsprobleme, trotz des sehr rauhen Klimas, das in dieser Höhenlage oft herrscht. Die Tiere können so völlig frei ihren Instinkten nachgehen, was bei den meisten Pferden bei uns wohl eher die Ausnahme sein dürfte. Keine Probleme haben sie auch mit dem zum Teil recht steilen Gelände, auf dem sie sich scheinbar mühelos und sehr sicher bewegen.

"Pferde lassen sich nicht mästen", stellt Josef Wyss fest, denn zwar würden mit Kraftfutter, ähnlich wie in der Rinderzucht, die Tiere noch schneller zunehmen, aber die Fleischqualität leidet dann derart darunter, daß sich keine vernünftigen Preise mehr erzielen lassen. Den Pferden genügt im wesentlichen das Futter auf den Weiden, nur im Winter muß etwas Grassilage und Heu zugefüttert werden. Der Mengenbedarf ist aber sehr hoch und deutlich höher als bei Rindern.

Im April werden die Fohlen geboren, die nun das ganze Frühjahr und den Sommer mit den Stuten auf der Weide verbringen. Sie nehmen sehr schnell an Gewicht zu, bis sie Ende November ein Lebendgewicht von ca. 300 kg erreicht haben und als Schlachtfohlen verkauft werden können. Die Fohlen führen zwar nur ein kurzes Leben, aber das in fast vollkommener Freiheit. Dieses ist mit der Massentierhaltung unserer Schlachttiere nicht zu vergleichen. Keines der Tiere ist beschlagen, da die Pferde für keine anderen Zwecke genutzt werden.

Das Fohlenfleisch ist besonders begehrt und erzielt die höchsten Preise beim Pferdefleisch. Eine längere Haltung würde sich nicht lohnen, da dann die Fleischqualität bei geringerer Gewichtszunahme stark abnimmt, und somit weitaus geringere Preise erzielt werden. Die Fohlen werden nach den Richtlinien des Projektes Pferdefleisch zur Schlachtung ins nahe Basel gebracht, um Menge und Qualität des im Projekt erzeugten Pferdefleisches genau kontrollieren zu können. Fohlenfleisch aus der Schlachtpferdezucht ist somit ein Saisonartikel, der nur für kurze Zeit im Herbst angeboten wird.

Die Stuten können bis zu 15 Jahren in der Zucht eingesetzt werde. Josef Wyss zieht seine Stuten nicht selbst nach, da diese erst nach drei Jahren zur Zucht eingesetzt werden können. Da sich in der Herde ein freilaufender Hengst befindet, ist somit auf natürliche Weise für Nachwuchs gesorgt, denn somit entfallen aufwendige Transporte zu Deckstationen oder gar eine künstliche Besamung.

Für Josef Wyss wird in Zukunft die Zucht von Schlachtpferden eine noch größere Bedeutung bekommen. Augrund der stagnierenden Nachfrage und sinkender Preise auf dem Rindfleischmarkt sieht er gute Aussichten für eine Erweiterung der Herde. Was zunächst als exotisches Nebenprodukt angesehen wurde entwickelt sich zu einer echten Alternative für den Landwirt. "Die Leute kaufen Pferdefleisch wie noch nie zuvor", antwortet er auf die Nachfrage nach dem Absatz. Allerdings, so meint er, "etwas Pferdeverstand braucht man schon, wenn man auf diesem Gebiet Erfolg haben will". Somit dürfte die Schlachtpferdezucht nicht für jeden Betrieb geeignet sein, und das ist wohl auch gut so.

Axel Armbruster



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